Bandscheibenverschleiß

Definition

Der Begriff BS-Verschleiß umfasst im weitesten Sinn sämtliche krankhaften Veränderungen der Bandscheibe, auch den BSV. Im engeren Sinn versteht man darunter

  • eine Höhenminderung der BS

  • eine Vorwölbung der BS

Ursache der Höhenminderung der BS ist ein Flüssigkeitsverlust des Bandscheibenkerns (Gallertkerns). Im Kernspin erscheint die BS schwarz (Bild). Die Amerikaner sagen dazu "black disc" – schwarze Scheibe.

Vergleichen wir die Bandscheibe mit einem Autoreifen. Die Luft im Reifen entspricht dem Gallertkern. Die Flanken des Reifens entsprechen dem Faserring. Die Felge einerseits und die Lauffläche andererseits entsprechen den an die Bandscheibe angrenzenden Knochen der Wirbelkörper. Jetzt lassen wir Luft aus dem Reifen ab – der Gallertkern entwässert. Die Flanken der Reifen wölben sich vor – genau so reagiert der Faserring der Bandscheibe. Diese Vorwölbung wird verstärkt, wenn sich ein Riss im Faserring entwickelt und der Gallertkern nachrutscht: Bandscheibenvorwölbung. Die Amerikaner sagen dazu "flat tire" – der platte Reifen. "Black disc" und "flat tire". Damit ist der Bandscheibenverschleiß bildhaft und präzise beschrieben.

Auslösende Momente

Warum verschleißt eine Bandscheibe? Die Ursachen sind bis heute nicht eindeutig erforscht.

Die erste mögliche Ursache der Bandscheibendegeneration ist:

Schwaches Bindegewebe

Die (angeborene) Qualität des Bindegewebes ist schlecht. Bandscheiben sind Bindegewebe, so wie Sehnen, Bänder und die bindegewebigen Teile der Haut.

Bereits beim Betrachten und Untersuchen eines Patienten fällt diese angeborene Bindegewebsschwäche auf (andere Bezeichnungen: Bandlaxität, Hypermobilität).

Man findet:
Bindegewebsrisse (Streifen, Striae) in der Haut, in der Umgangssprache "Schwangerschaftsstreifen" genannt. Aber: Frauen ohne schwaches Bindegewebe bekommen keine Streifen, auch wenn sie viele Schwangerschaften hinter sich haben.

Diese Streifen kommen nicht nur am Bauch vor, sondern auch

  • am Rücken, besonders über den Beckenkämmen und der unteren LWS, quer verlaufend. In schweren Fällen finden sich diese Streifen auch in Höhe der BWS. Sie fallen am ehesten auf bei gedehnter Haut (helle Streifen).
  • an der Brust (bei Frauen)
  • im Bereich der vorderen Schultergegend
  • in der seitlichen Hüftregion und am Oberschenkel
  • seltener im Bereich der Kniekehlen

Ich habe kaum einen chronischen Rückenpatienten erlebt, der nicht zumindest eine leichte Ausprägung solcher Streifen hatte. Auch bei schlanken jungen Männern habe ich schon kräftige Streifen über dem ganzen Rücken gesehen.

Weitere Zeichen von schwachem Bindegewebe sind:

  • Überbeweglichkeit der Gelenke (und der WS), d.h.: Überstreckbarkeit der Knie, Handgelenke, Ellenbogen, Instabilität der Schultergelenke. Die Betroffenen konnten schon immer auch ohne Dehnungsgymnastik die Handflächen locker auf den Boden legen beim Bücken mit gestreckten Knien. Im Schulsport waren sie besonders beliebt, weil sie so beweglich, "so sportlich" waren.
  • Neigung zu Krampfadern (Gefäßwände sind aus Bindegewebe)
  • Neigung zu Leistenbrüchen, Nabelbrüchen
  • bei Frauen: Beckenbodenschwäche insbesondere nach Geburten, Gebärmuttersenkungen
  • Neigung zur Wirbelgelenksblockaden Lesen Sie dazu unter 2 "Direkt zu Ihrem Problem" das Kapitel "Blockade Wirbelgelenk".

Die zweite mögliche Ursache der BS- Degeneration ist:
Ernährungsmangel der Bandscheibe

durch mangelnden Wechsel von Be- und Entlastung. Bandscheiben (genauer: die Gallertkerne) sind nicht durchblutet. Sie werden nach dem sogenannten "Durchsaftungs-Prinzip" ernährt, genau so wie der Gelenkknorpel.



Ernährungsmangel der Bandscheiben

Stellen Sie sich folgendes vor:

Ein nasser Schwamm liegt auf dem Tisch. Sie drücken ihn mit der flachen Hand zusammen. Wasser fließt heraus. Sie lassen den Schwamm wieder los. Er saugt das Wasser wieder auf. Genau so funktioniert die Ernährung der Bandscheibe: Die Wirbelsäule wird belastet. Die Bandscheibe kommt unter Druck. Flüssigkeit wird aus der Bandscheibe ausgequetscht und mit der Blutbahn abtransportiert. Die Wirbelsäule wird entlastet (sie legen sich hin). Die Bandscheibe saugt sich mit frischer, nährstoffhaltiger Flüssigkeit wieder voll.

Wie ernährt sich die Bandscheibe?

Eine gute Bandscheiben-Ernährung setzt also einen Wechsel von Be- und Entlastung der Wirbelsäule voraus. Stundenlanges Sitzen bedeutet "Hunger" für die Bandscheibe. Die gleiche Situation würde natürlich auch bestehen, wenn ein Mensch über lange Zeit nur im Bett liegt. Übrigens hungern die Bandscheiben eines Astronauten, solange er im Weltraum ist. Wie im Bett fehlt die ausquetschende Belastung.

Die dritte mögliche Ursache der BS-Degeneration ist:
Die Überlastung der Bandscheibe bei schwachen Rückenmuskeln.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Hoher Druck in der Bandscheibe durch Wirbelsäulen- Belastungen bei schwerem Heben – oder beim Krafttraining – sind keine Überlastungen der Bandscheibe, im Gegenteil: die Bandscheiben werden ausgequetscht, sie saugen sich anschließend wieder voll. So ernähren sie sich.

Schwache Rückenmuskeln können die Wirbelsäule nicht so stabilisieren, wie es nötig ist. Bei Belastung - insbesondere beim Heben von Gewichten, für welche die Muskulatur zu schwach ist – und das können bei Trainingsmangel schon geringe Gewichte sein – kommt es zu einer Verschiebung von Wirbeln gegeneinander. Man spricht von Scherbelastungen der Wirbelsäule.

Microverletzungen des Faserringes bei Muskelschwäche

Scherbelastungen, insbesondere wenn Drehbewegungen der Wirbelsäule hinzukommen, können zu Zerrungen an den Fasern des Faserringes der Bandscheibe führen. Diese Mikroverletzungen können einen Verschleiß, d.h. Rissbildungen im Faserring einleiten. Diese Vermutung wird von der Beobachtung gestützt, dass ein Bandscheiben-Verschleiß vor allem in den Wirbelsäulenabschnitten auftritt, welche eine besonders große Beweglichkeit erlauben.

Schmerz-Ursache

Die verschlissene Bandscheibe selbst schmerzt nicht, allenfalls nur dann, wenn Teile des äußeren Faserringes plötzlich einreißen.

BS-Verschleiß bei Gesunden

Bei Gesunden, die noch nie Rückenbeschwerden hatten, finden sich in einem hohen Prozentsatz verschlissene Bandscheiben einschliesslich Bandscheiben-Vorwölbungen, und zwar: im Alter von 20 – 40 Jahren bei 35 %, im Alter von 60 – 80 Jahren bei fast 100 %. Die verschlissene Bandscheibe verursacht eine Instabilität. Die Frage ist nur, ob die Rückenstrecker kräftig genug sind, diese Instabilität zu kompensieren. Sie können sich den Mechanismus dieser Instabilität leicht vorstellen. Kehren wir zurück zu unserem Beispiel mit dem Autoreifen:

Beide Vorderreifen sind fast platt. Sie fahren. Wie lässt sich Ihr Auto lenken? Unpräzise, schwammig. Lenkbefehle werden nicht direkt umgesetzt. Das Auto "schwimmt".

Das schmerzauslösende Moment dieser Instabilität an der Wirbelsäule ist die Überlastungsreizung der Wirbelgelenke.Über diese Gelenke haben 2 Wirbel miteinander Kontakt. In jeder Bandscheibenetage existieren 2 Wirbelgelenke, je eines rechts und links rückenwärts gelegen.

Diese Gelenke führen die möglichen Bewegungen der Wirbelsäule wie Scharniere.

Überlastungsreizungen können in den Wirbelgelenken einen Reizerguss auslösen. In seltenen Fällen kann dieser Reizerguss bewirken, dass sich die Gelenkschleimhaut wie ein Bruchsack durch die Gelenkskapsel vorstülpt und eine Synovialcyste bildet. Diese kann eine Nervenwurzel quetschen und muss u. U. operiert werden.

Das Schicksal der Wirbelgelenke wird von der BS entschieden

Wenn die Distanzscheibe zwischen 2 Wirbeln, also die Bandscheibe, dünner wird, treten die Wirbel näher aufeinander zu. Die Wirbelgelenke geraten unter einen erhöhten Druck. Gleichzeitig wird die betroffene Bandscheiben-Etage instabil. Das Scharnier Wirbelgelenk bekommt ein krankhaftes Bewegungsspiel, das Gelenk selbst wird instabil.

Instabilität des Wirbelgelenkes unter erhöhter Druckbelastung – diese Kombination löst Verschleißerscheinungen im Gelenk selbst aus. Wir sprechen von einer Wirbelgelenksarthrose (Facetten-Arthrose). Wenn die Bewegungen im Wirbelgelenk von der Muskulatur nicht präzise und stabil geführt werden, kommt es zu Fehlbelastungen im Gelenk. Dies verursacht Schmerzen. Diese werden meist stichartig empfunden. Die Wirbelsäule versucht sofort, den Schmerz "abzuschalten".

Blockaden der Wirbelgelenke

Reflexartig verkrampft die Gelenk umgebende Muskulatur und hält es in unbeweglicher Position fest. Wir sprechen von einer Wirbelgelenksblockade. Instabilität der verschlissenen Bandscheibenetage plus Schwäche der Rückenstrecker: diese Kombination ist die häufigste Ursache von Wirbelgelenksblockaden

Vorbeugung

Wie erhalten Sie die Gesundheit Ihrer Bandscheiben? Bewegung und gezielte Belastung – Sport und gezieltes Krafttraining der gesamten Muskulatur, speziell der Rückenmuskeln, ist das Erfolgsrezept für eine gesunde Wirbelsäule.
Lesen Sie dazu unter 3 "Therapie-Angebote" das Kapitel "Prävention von Rückenschmerzen".