Kraftzuwachs nach der Erholung

Beim Krafttraining ist Erholung genauso wichtig wie das Training selbst

Die Zeit, die ein Muskel braucht, um sich nach seiner Arbeit zu erholen, wird Erholungs- oder Regenerationszeit genannt. Die Einhaltung der notwendigen Erholungszeit ist genauso wichtig wie das Training selbst. Sie werden sehen, dass ein Muskel durch Training mit zu kurzen Erholungszeiten schwächer wird, Kraft verliert und Muskelmasse abbaut.
Lesen Sie dazu das Kapitel: Wie oft sollte trainiert werden - Übertraining?

Die Dauer der Erholungszeit hängt davon ab, ob der Muskel im Ausdauer- oder im Kraftbereich trainiert wurde, also unter- oder oberhalb unserer „50%-Wasserscheide“.
Lesen Sie dazu das Kapitel: Die Gesetze der Muskelaktivität

Ausdauer-Training
kurze Erholungszeit

Bei Ausdauerbelastungen ist die Erholungszeit kurz. Die Fasern tanken ja ständig auf, weil der Muskel immer durchblutet wird. Dennoch kommt es auch bei Ausdauer-Belastungen zu einem geringen Verschleiß von Muskelgewebe, welches repariert werden muß. Außerdem werden die Energie-Reseven des gesamten Organismus angegriffen, die wieder aufgetankt werden müssen. Auch Sehnen und Gelenke müssen sich erholen, auch die Psyche. Eine Marathon-Distanz können Sie nicht täglich laufen. Aber 10 km z.B. sind machbar, ohne dass sich der Körper langsam verzehrt.

Kraft-Training: lange Erholungszeit

Beim Training im Kraftbereich, also oberhalb unserer „50%-Wasserscheide“, herrschen völlig andere Bedingungen. Betrachten Sie dazu die Abbildung „Erschöpfungs- und Erholungs-Zyklus beim Krafttraining.“ Auf der x-Achse ist die Zeit, auf der y-Achse ist das Kraftniveau aufgetragen.

Beim Punkt 1 beginnen Sie das Training eines bestimmten Muskels, z.B. ein Biceps-Training. Gewicht anheben - halten - absenken. Sie führen z.B. 12 reps durch in 120 sec. Eine 13. rep schaffen Sie nicht mehr. Diese Phase ist die Erschöpfungs-Phase s. Bereich A.
Was passiert?

  • Sie fahren den Tank leer. Die im Muskel gespeicherte Energie wird komplett verbraucht. Deswegen können Sie das Gewicht nicht ein 13. mal anheben.
  • Aktives Muskelgewebe, Eiweiß (Aktin- Myosin-Filamente) und vor allem die Z-Streifen werden verschlissen, durch Microverletzungen zerstört (s. dazu die spätere Erklärung des Muskelkaters.)
  • Als Konsequenz ist Ihr Biceps zum Zeitpunkt der Muskelerschöpfung schwächer. Er hat nicht nur seine Energiereserven aufgebraucht. Er hat auch einen gewissen Teil seiner aktiven Muskelmasse „zerstört“. Am Ende eines Trainings haben Sie auch zunächst weniger Muskelmasse. Das momentane Kraftniveau ist abgesunken, siehe Punkt 2.

Sofort nach dem Ende des Biceps-Trainings beginnt die Erholungsphase s. Bereich B.
Was passiert?

  • Der leere Tank wird schnell aufgefüllt. Die sofort wieder einsetzende Durchblutung füllt die Energiespeicher des Muskels wieder auf. Das dauert vielleicht nur wenige Minuten.
  • Die winzigen Muskelbruchstücke müssen abgebaut und ersetzt werden. Dies dauert unter Umständen mehrere Tage, je nachdem, wie hoch Ihr Trainingswiderstand war. Haben Sie 12 Wiederholungen geschafft, entsprach das einem Widerstand von etwa 60%. Dann dauert die Erholungsphase vielleicht 1-2 Tage. Haben Sie 8 Wiederholungen geschafft, entsprach das einem Widerstand von etwa 80%. Dann dauert die Erholungsphase vielleicht 2-4 Tage.
  • Am Ende der Erholungsphase befindet sich das Kraftvniveau am Punkt 3. Er hat ein Kraftniveau wie vor Beginn des Trainings. Zu diesem Zeitpunkt hat das Training Ihrem Biceps noch gar nichts genutzt. Er hat zwar den Ablauf von Stoffwechselprozessen trainiert, er hat Energie verbraucht, was Ihnen beim Fettabbau hilft, aber er hat seine Kraft noch nicht verbessert.

Jetzt kommt die eigentliche „produktive Phase“, ausgelöst durch die komplette Muskelerschöpfung in Punkt 2: die Superkompensation, siehe Bereich C.
Was passiert?

  • Der Muskel baut überschießend mehr aktives Muskelgewebe auf (Aktin- und Myosin-Filamente), als im Bereich A verschlissen und im Bereich B ersetzt worden ist. Zerstörte Z-Streifen werden nicht nur komplett repariert. Sie werden auch dicker, stabiler, belastbarer. Der Muskel wird dicker, gewinnt mehr Masse. Wahrscheinlich bilden sich auch neue Muskelzellen und daraus neue Fasern.
  • Der Muskel lagert größere Energiedepots ein als vor Beginn des Bereiches A.

Insgesamt wird der Muskel während der Superkompensation stärker. Er kompensiert nicht nur den Verlust des Bereiches A während des Bereiches B, er überkompensiert in Bereich C. Das Ergebnis des Trainings ist letztendlich ein höheres Kraftniveau und eine höhere Muskelmasse, das Ziel des Krafttrainings. s. Punkt 4 Nochmals zum Verständnis. Dieses Ziel wird nur erreicht, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:

  • Der Muskel muß im Punkt 2 komplett erschöpft werden.
  • Die Erholungszeit muß eingehalten werden, bis die Superkompensation (Punkt 4) abgeschlossen ist.