Die Gesetze der Muskelaktivität

Wenn Sie die Gesetze des Muskels verstanden haben, verstehen Sie auch alles andere





Muskeldurchblutung und Aktivität von Ausdauer- und Kraftfasern

Wie bereits beschrieben, siehe dazu das Kapitel Ausdauer und Kraft
setzt sich ein Muskel aus 2 verschiedenen Faser-Typen zusammen: Ausdauer- und Kraftfasern.
Die prozentuale Verteilung dieser Fasern in jedem Muskel ist genetisch festgelegt und weist bei jedem Menschen zum Teil erhebliche Unterschiede auf. Die Fasertypverteilung kann durch Training kaum verändert werden.
Nebenbei bemerkt: Ein Spitzen-Gewichtheber ist genetisch überwiegend mit Kraftfasern ausgestattet.
Ein Spitzen-Marathonläufer ist genetisch überwiegend mit Ausdauer-Fasern ausgestattet. In unserem Beispiel nehmen wir einen "idealen Muskel" an, der sich zu jeweils 50 % aus Ausdauer- und Kraftfasern zusammensetzt. Betrachten Sie bitte das nebenstehende Bild Trainings-Widerstand = „Intensität" Zur Orientierung: Der obere Teil des Bildes zeigt die Muskeldurchblutung und die Aktivität der verschiedenen Muskelfasern in Abhängigkeit von der Intensität eines Trainings. Der untere Teil des Bildes zeigt unterschiedliche Sportarten bzw. Belastungen, die den entsprechenden Intensitäten eines Trainings zuzuordnen sind. Auf der X-Achse ist der Trainings-Widerstand- die "Intensität" - aufgetragen. 0 % bedeutet einen erschlafften Muskel, der nicht arbeitet. 100 % bedeutet die Maximalkraft, die ein Muskel leistet, wenn er ein Gewicht maximal einmal anheben kann.





Langzeitausdauer: vollständige Durchblutung des Muskels

Punkt 1

Beginnen wir mit der Muskeldurchblutung. Der Blutfluss im Muskel ist zu 100 % gewährleistet bei einer Intensität zwischen 0 - 15 %. Die Energieverbrennung im Muskel wird zu 100 % mit Sauerstoff befeuert. Dieser steht unbegrenzt zur Verfügung (aerober Stoffwechsel). Dieser Bereich wird Langzeitausdauer genannt. Theoretisch kann ein Marathonläufer zeitlich unbegrenzt laufen.
Praktisch nicht. Die Leistungsdauer wird begrenzt von den Energiedepots (Kohlenhydrate und Fett), die im Muskel selbst gespeichert sind und die mit dem Blut ständig herangeführt werden. Erst wenn alle Energievorräte des gesamten Körpers erschöpft sind, kommt es zu einem Leistungsabbruch. Dies gilt wiederum theoretisch. Praktisch erschöpft der Wille viel früher. Dies wird "zentrale Ermüdung" genannt.





Kraft-Ausdauer: eingeschränkte Durchblutung des Muskels

Punkt 2

Durch die zunehmende Anspannung der Muskelfasern kommt es ab einer Intensität von 15 % zu einer Verminderung des Blutflusses im Muskel. Der Blutfluß im Muskel stoppt komplett ab einer Intensität von 50%. Im Bereich von 15 – 50% findet gleichzeitig ein aerober und anaerober Stoffwechsel statt. Er wird Kraft-Aus-dauer-Bereich genannt. Neben der Energieverbrennung, die mit Sauerstoff befeuert wird, muss der Muskel Energie verbrennen ohne Sauerstoff. Dabei entsteht Lactat (Milchsäure) und der Muskel geht eine "Sauerstoff-Schuld" ein. Die mögliche Belastungszeit hängt ab von der Intensität und liegt zwischen 3 - 30 Minuten. Leistungsbegrenzend wirkt das sich anhäufende Lactat. Natürlich spielen auch hier die Größe der Energiedepots und die "zentrale Ermüdung" eine Rolle.





Kraft:
keine Durchblutung des Muskels

Punkt 3

Die Spannung der Muskelfasern hat so zugenommen, dass ab einer Intensität von 50 % der Blutfluss im Muskel komplett zum Erliegen kommt. Im Bereich von 50 – 100% erfolgt die Energieverbrennung im Muskel also ohne Sauerstoffzufuhr (anaerober Stoffwechsel). Er wird Kraftbereich genannt. Ich habe die Schwelle der Intensität von 50 % die Wasserscheide zwischen Ausdauer und Kraft genannt. Sie entspricht auch der Lactat-Schwelle, weil ab dieser Intensität der Lactat-Spiegel im Blut sprunghaft ansteigt. Energieverbrennung ohne Sauerstoff produziert Lactat. Mit der Unterbrechung des Blutflusses können dem Muskel auch keine zusätzlichen Brennstoffe mehr zugeführt werden (Kohlenhydrate und Fette). Leistungsbegrenzend für die Muskelarbeit ist also die Größe des im Muskel selbst gespeicherten Energiedepots. Ist der Tank leer, kommt die Erschöpfung ziemlich plötzlich. Daneben spielt auch die Zunahme des Lactat-Spiegels und die "zentrale Ermüdung" eine Rolle. Die mögliche Belastungszeit liegt - je nach Intensität - zwischen wenigen Sekunden bis zu etwa 3 Minuten.





Es arbeiten immer nur so viele Fasern, wie gebraucht werden

Punkt 4

Betrachten wir jetzt den Anteil und die Art der aktiven Fasern in Abhängigkeit zur Intensität, d. h. zum Trainingswidersstand. Es gelten folgende Gesetze:

Das Nervensystem aktiviert gleichzeitig immer nur so viele Muskelfasern, wie zur Überwindung eines gegebenen Widerstandes gebraucht werden. Alle anderen Fasern werden inaktiv mitgeschleppt. Wenn Fasern durch mehrere Wiederholungen erschöpft sind, werden sie abgeschaltet und frische Fasern werden eingeschaltet.


niedrige Intensität: nur Ausdauerfasern arbeiten

Bei niedriger Intensität werden ausschließlich nur Ausdauer-Fasern aktiviert. Ab einer mittleren Intensität von etwa 33 % werden die ersten Kraftfasern zusätzlich aktiviert. Ab einer höheren Intensität von etwa 66 % wird eine Untergruppe der Kraftfasern, die Schnellkraft-Fasern, zusätzlich aktiviert.



hohe Intensität: Ausdauer- und Kraftfasern arbeiten

Bei einer Intensität von 100 % werden alle Fasern gleichzeitig aktiviert: die Ausdauer-Fasern und die Kraft-Fasern einschließlich ihrer Untergruppe, die Schnellkraft-Fasern. Wenn gleichzeitig alle Fasern aktiviert sind und arbeiten, ist es logisch, dass auch alle Fasern gleichzeitig erschöpfen. Deswegen entspricht die Intensität von 100 % auch dem Gewicht, das nur ein einziges Mal angehoben werden kann. Erst nach einer gewissen Erholungszeit könnte dieses Gewicht ein zweites Mal angehoben werden. Training gegen eine Intensität von 100 % birgt ein Verletzungsrisiko. Es sollte professionellen Leistungssportlern vorbehalten bleiben.



Nautilus-Training und Rotations-Prinzip: alle Fasern werden erschöpft

Punkt 5

Im Bereich des Nautilus-Trainings entsprechen 8 Wiederholungen einer Intensität von 80 %, 12 Wiederholungen einer Intensität von 60 %. Bei den ersten Wiederholungen wird nur ein Teil der Fasern aktiviert. Wenn diese erschöpft sind, werden sie abgeschaltet. Frische Fasern werden aktiviert. Nach dem Rotations-Prinzip sucht das Nervensystem immer nach frischen Fasern, wenn die gerade aktivierten Fasern erschöpft sind. So ist es möglich, nacheinander alle Fasern des Muskels zu erschöpfen: die Ausdauer-Fasern, die Kraft-Fasern und ihre Untergruppe, die Schnellkraft-Fasern. Sie spüren und sehen das Rotationsprinzip unter dem Training. Betrachten Sie Ihre vordere Oberschenkelmuskulatur beim Training im Gerät für die Kniestreckung.



Kraft und Ausdauer werden trainiert

Nach einer gewissen Wiederholungszahl sehen Sie Zuckungen im Muskel. Mit zunehmenden Wiederholungen nehmen die Zuckungen zu. Das Nervensystem schaltet Fasern aus und ein, es sucht permanent nach frischen Fasern. Wenn nacheinander alle Fasern erschöpft sind, können keine frischen Fasern mehr gefunden werden. Der Energie-Tank des Muskels ist leer. Plötzlich, von einer Wiederholung zur nächsten, kommt der Leistungsabbruch. Der wirksame Trainingsreiz ist gesetzt. Alle unterschiedlichen Fasertypen wurden erschöpft.



Reizschwelle: komplette Erschöpfung des Muskels

Das Nautilus-Prinzip verbessert somit Kraft und Ausdauer. Wenn Sie beim Training diese Muskelzuckungen spüren bzw. sehen, wissen Sie, dass die Muskelerschöpfung nahe ist. Wenn Sie das Training beenden, bevor die Muskelzuckungen auftreten bzw. den Muskel nicht bis zur kompletten Erschöpfung trainieren, setzen Sie auch keinen wirksamen Trainingsreiz, der Ihre Leistung verbessert. Sie setzen allenfalls einen Trainingsreiz, der Ihren derzeitigen Leistungszustand erhält.

Punkt 6

Folgende Gesetze leiten sich aus dem Schaubild ab bzw. wurden von der sportmedizinischen Forschung nachgewiesen.

  • 1. Die Maximalkraft bestimmt alle Leistungen des Muskels im Intensitätsbereich zwischen 15-100 %.

Je höher die Maximalkraft, desto besser ist das "Stehvermögen" im Bereich der Kraft-Ausdauer

Statistik zur Maximalkraft

Die Maximalkraft hat keinen Einfluß auf die Langzeitausdauer

Training unterhalb der Wasserscheide verbessert nicht die Kraft, nur die Ausdauer

Muskelschwund bis zu 50 %

Dies bedeutet: Je höher die Maximalkraft, desto höher ist auch die Kraft-Ausdauer.
Diese Konsequenz folgt einer mathematischen Beziehung. Nehmen wir an, eine gegebene Belastung, z. B. Skilaufen, beansprucht Ihre Beinmuskulatur mit einer Intensität von 50 %.
Durch Training verdoppeln Sie Ihre Maximalkraft. Jetzt beansprucht Sie das Skilaufen nur noch mit einer Intensität von 25 %.
Skilaufen strengt Sie jetzt weniger an. Ihr Stehvermögen hat sich verdoppelt.

  • 2. Die Höhe der Maximalkraft hat keinen positiven Einfluss auf die Langzeitausdauer (Intensitätsbereich zwischen 0 - 15 %). Deswegen lehnen professionelle Marathonläufer ein Krafttraining ab. Es macht sie schwerer, ohne ihre Leistung zu verbessern. Damit verlangsamen sie ihre Laufzeit. Ich meine, dass Marathonläufer zumindest für ihre Wirbelsäulen-Muskulatur ein Krafttraining durchführen sollten.
  • 3. Training unterhalb einer Intensität von 50 % verbessert die Kraft praktisch nicht. Deswegen liegt das Nautilus-Training in einem Intensitätsbereich zwischen 60 - 80 %.
  • 4. Vermeidet ein Mensch Zeit seines Lebens eine regelmäßige Trainingsintensität von über 50 %, werden seine Kraftfasern niemals aktiviert.
    Die Konsequenz ist fatal: der Körper registriert, dass die Kraftfasern nicht gebraucht werden und baut sie ab. Die Hülle der Kraftfasern (die Zellwand) und die Zellkerne bleiben zwar erhalten, aber das aktive, kontraktile Eiweiß der Kraftfasern, die Aktin-Myosin-Filamente, werden abgebaut und durch Fett ersetzt. Weil die Muskulatur des durchschnittlichen Menschen sich jeweils zu 50 % aus Kraft- und Aus-dauerfasern zusammensetzt, wird er ohne regelmäßiges Krafttraining zwischen dem 30. und 70. Lebensjahr bis zu 50 % seiner Muskelmasse verlieren. Dieser Muskelverlust ist somit keine zwangsläufige Folge des Alterns, sondern eine zwangsläufige Folge des fehlenden Krafttrainings.

Muskelschwund ist umkehrbar, auch im Alter

Weil die Zellhülle und die Zellkerne der Kraftfasern erhalten bleiben, ist der Prozess des Muskelschwundes umkehrbar, auch wenn mit einem Krafttraining erst in hohem Alter begonnen wird.

Zusammenfassung:
Muskelgesetze und Konsequenzen
  • 1. Aktiv sind nur so viele Fasern, wie zur Überwindung eines Widerstandes gebraucht werden. Alle anderen Fasern werden inaktiv „mitgeschleppt“.
  • 2. Bei geringen Widerständen arbeiten nur Ausdauerfasern. Erst oberhalb von 30-40% springen die ersten Kraftfasern an. Widerstände von weniger als 50% verbessern die Kraft praktisch nicht.
  • 3. Ohne regelmäßiges Training im Kraftbereich registriert der Muskel: die Kraftfasern werden nicht gebraucht. Konsequenz: Abbau der Kraftfasern, evt. Umwandlung in Fett.
Zwangsläufige Folgen des Muskelschwundes:
  • Haltungsschwäche
  • Rückenbeschwerden
  • Gelenkbeschwerden
  • Entwicklung von Arthrose und Knochenschwund

4. Maximalkraft (der Gewichtheber) und Langzeitausdauer (der Marathonläufer) sind gegensätzliche Pole der muskulären Leistungsfähigkeit.

5. Die Höhe der Maximalkraft hat keinen Einfluß auf die Leistungsfähigkeit der Muskulatur im Bereich der Langzeitausdauer. Deswegen lehnen Marathonläufer (Wettkampf-Athleten) ein Kraft-Training ab. Eine größere Muskelmasse würde Spitzenleistungen verhindern. Lediglich das gezielte Kraft-Training der Wirbelsäulenmuskulatur wird akzeptiert.

6. Sämtliche muskulären Leistungen oberhalb einer Intensität von 15% verbessern sich, je höher die Maximalkraft ist. Dies betrifft: Radfahren, Skifahren, sämtliche Ballsportarten einschließlich Tennis und Golf, Kurz- und Mittel-Streckenläufe usw

7. Die Maximalkraft ist abhängig von der Muskelmasse: Je größer die Muskelmasse, desto größer die Maximalkraft.

8. Je höher die Maximalkraft, desto höher ist

  • die Kraft-Ausdauer
  • die dynamische Kraft
  • die Schnellkraft
  • die Knochendichte
  • die Sehnendicke
  • die Knorpeldicke der Gelenke
und desto stabiler ist
  • die Körperhaltung
  • die Wirbelsäule und
  • die Führung der Gelenke

9. Der Trainingsreiz für die Verbesserung der Kraft und der Masse des Muskels ist primär die Spannungshöhe im Muskel beim Training. Prinzipiell gilt:
wenige Wiederholungen (bis zur Erschöpfung) gegen hohe Widerstände sind nötig (8-12 reps als Standard). Viele Wiederholungen (mehr als 15 reps ohne Erschöpfung) gegen niedrige Widerstände verbessern nur die Ausdauer.

Das Nautilus-Trainings-Prinzip deckt folgende Trainingsziele optimal ab:

1. Verbesserung der Gesundheit (Körperhaltung, Stabilität von Wirbelsäule und Gelenken).

2. Verbesserung der Leistungsfähigkeit bei allen üblichen Freizeitsportarten. Das Kraft-Training sollte mit Ausdauer-Training kombiniert werden, um einen optimalen Nutzen auch für die Herz-Gesundheit zu bieten:
Nautilus-Training ist Kraft-Training mit Herz!

Leistungssportler, die ihre sportartspezifischen Leistungen gezielt verbessern wollen, brauchen eventuell differenzierte Trainingsmethoden.

Konsequenzen:
Die Gesetze des Muskels machen verständlich, warum Aktivitäten wie Gartenarbeit, Schwimmen, Golf, Radfahren, Wandern, Joggen usw. die Kraft weder verbessern noch erhalten können. Ohne Kraft-Training ist der Muskelschwund mit zunehmendem Alter nicht aufzuhalten.