1993 hat die WHO (World Health Organisation) die Osteoporose in die Liste der 10 wichtigsten Erkrankungen aufgenommen und sie definiert als "Systemische Skelett-Erkrankung mit einer Verminderung der Knochenmasse und einer Verschlechterung der Mikroarchitektur des Knochengewebes mit reduzierter Festigkeit und erhöhter Bruchneigung".
Gemäß dieser Definition ist Osteoporose bereits eine Erkrankung, auch wenn noch kein Knochenbruch eingetreten ist. Diese Definition ist in der wissenschaftlichen Literatur nicht unumstritten.
Sie werden sehen, wie schwierig es ist, eine allgemeine Akzeptanz von Definitionen zu erreichen. Dieses Problem hat auch dazu beigetragen, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Knochendichtemessung als Vorsorgeuntersuchung nicht mehr bezahlen, sondern erst dann, wenn bereits ein Knochenbruch eingetreten ist.
Abnormalität
Ein Mensch hat ein braunes und ein grünes Auge. Dies ist abnormal, aber nicht krank. Es verursacht keine Beschwerden.
Abnormalität und Risikofaktor
Eine geringe Knochenmasse, Knochendichte und eine geringe Muskelmasse bei einer beschwerdefreien Sekretärin sind normal. Knochen und Muskeln stehen im Gleichgewicht. Bei einem Sturz besteht jedoch das Risiko eines Knochenbruches.
Eine gleich geringe Knochenmasse und Knochendichte bei hoher Muskelmasse bei einem beschwerdefreien Schwerstarbeiter ist abnormal. Knochen und Muskeln stehen nicht im Gleichgewicht. Schon bei der Arbeit - nicht erst bei einem Sturz - kann ein Knochenbruch auftreten.
Bei der Sekretärin besteht Normalität, das Risiko besteht nur bei Unfall (Sturz).
Beim Schwerstarbeiter besteht Abnormalität, das Risiko besteht aber bereits bei seinen normalen täglichen Aktivitäten (Arbeit).
Krankheit
Das Problem ist: Krankenkassen leisten bei Krankheit. Einer sinnvollen Prävention wird immer noch zu wenig Bedeutung beigemessen.
Eine Krankheit liegt vor, wenn normale tägliche Aktivitäten Beschwerden verursachen. Solange also die Sekretärin und der Schwerstarbeiter keine Beschwerden haben, sind sie nicht krank. Ohne Vorsorgeuntersuchung wissen sie natürlich auch nichts von ihrem Risiko.
Osteopenie als Risikofaktor
Ein Mangel an Knochenmasse und Knochendichte (Osteopenie) bedeutet ein Risiko, dass Knochenschmerzen (Microfrakturen an der Wirbelsäule) oder Knochenbrüche (Schenkelhals oder handgelenknaher Unterarm) auftreten.
Dies kann eintreten sowohl bei Bagatellbelastungen wie banales Vorbeugen (Wirbelsäule) als auch bei Stürzen, die normalerweise keine Fraktur verursachen.
Osteoporose als Krankheit
Die Osteoporose ist nach dieser Definition eine Krankheit, wenn bei einer Osteopenie ein Knochenbruch hinzukommt. Bricht ein gesunder, normaler Knochen durch einen Unfall, handelt es sich um eine unfallbedingte Krankheit. Letztendlich bedeuten Osteopenie und Osteoporose eine mechanische Inkompetenz des Knochens.